Background Image
Previous Page  29 / 40 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 29 / 40 Next Page
Page Background

Zum

Hofe

29

NACH DER PRAXIS

Bakterielle

Detektive

PROF. DR. HELGA RÜBSAMEN-SCHAEFF

FORSCHT NACH NEUEN ANTIBIOTIKA

Wo sind die Unternehmen, die neue Antibiotika

entwickeln? Wo sind die innovativen Wirk-

stoffe, die in Zeiten multiresistenter Kranken-

hauskeime lebensgefährliche Infektionskrank-

heiten heilen? „Zum Hofe“ hat sich auf die

Suche gemacht und fand: Prof. Dr. Helga Rüb-

samen-Schaeff. Wenige Wochen, bevor die

Geschäftsführerin des Biotech-Unternehmens

AiCuris in den Beirat wechselte, nahm sie sich

Zeit für ein Interview. Dabei stand das Glück

Pate: Eine schwere Lungenentzündung hatte

die Chemikerin ins Krankenhaus gebracht. Das

zweite Antibiotikum half. Auch, dass dieses

Interview – wie geplant – stattfinden konnte.

Es heißt, AiCuris sei das einzige deutsche Unterneh-

men, das neue resistenzbrechende Antibiotika für die

Humanmedizin entwickelt. Stimmt das?

„Meines Wissens sind wir tatsächlich die Einzigen, die hier-

zulande breit aufgestellt an Gram-positiven wie Gram-ne-

gativen Bakterien forschen und Antibiotika entwickeln. Der

Pharmakonzern Sanofi, in den die deutsche Hoechst AG auf-

ging, betreibt seine Antibiotikaforschung heute in Frank-

reich. Die anderen großen deutschen Pharmafirmen haben

hiermit zwischen 2000 und 2006 allesamt aufgehört.“

Warum?

„Sie waren der festen Meinung: Antibiotikaentwicklung

lohnt sich nicht mehr. Patente liefen zu dieser Zeit aus, bil-

lige Generika kamen nach. Plötzlich sollten immer mehr

Substanzen, auch die neuen Entwicklungen, zu Generika-

Preisen zu haben sein. Und so etwas rechnet sich tatsäch-

lich nicht, wenn Sie, erstens, nach einem neuen Stoff

forschen und ihn, zweitens, klinisch testen müssen. Zudem

sind Antibiotika per se Opfer ihres eigenen Erfolgs: In 14

Tagen retten sie Leben, entlasten das Gesundheitssystem

– und werden abgesetzt. Chronische Erkrankungen sind da

finanziell sehr viel interessanter.“

Was Helga Rübsamen-Schaeff in wenigen Worten be-

schreibt, wurde ihr selbst zum Verhängnis. Oder auch zur

größten Chance: Als Senior Vice President leitete sie bis

2006 für ihren damaligen Arbeitgeber Bayer die Antiinfek-

tiva-Forschung. Zugunsten der einträglicheren Krebsfor-

schung stellte dieser jedoch das Geschäftsfeld ein. Damit

wurde aus der Chemikerin – im Alter von 56 Jahren – eine

Unternehmerin: Helga Rübsamen-Schaeff übernahm eine

ausgewählte Gruppe ihrer früheren Mitarbeiter, 13 vorhan-

dene Wirkstoffprojekte und gründete AiCuris. Finanziert

wurde das Biotech-Unternehmen von den Gebrüdern

Strüngmann, die ihr Unternehmen Hexal seinerzeit an den

Schweizer Pharmakonzern Novartis verkauft hatten und

nun in andere Gebiete investieren wollten.

Was brachte Sie dazu, die Antiinfektiva-Forschung in

die eigenen Hände zu nehmen?

„Die heutige Welt braucht Medikamente gegen Infektions-

krankheiten. Ich bin ein Überzeugungstäter und meine Mit-

arbeiter auch. Außerdem haben wir exzellente Projekte. Als

Bayer damals den Schlussstrich zog, habe ich mir gesagt:

Einer muss ja weitermachen. Daraus entstand AiCuris.“

In einem Geschäftsfeld, an das ein großer Player wie

Bayer selbst nicht mehr glaubte. Woher kam der Mut?