Zum
Hofe
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für alle Seiten gewinnbringende Verzahnung von Forschung und
Praxisalltag glaubt. Auch wenn deren Umsetzung im alles be-
stimmenden Tagesgeschäft, so räumt der Familienvater ein, alles
andere als leicht sei.
Bevor Palzer, der selbst in München studierte, in die Scheidegger
Praxis einstieg, verbrachte er acht Jahre als wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der LMU. „Die Forschung so ganz aufzugeben
konnte ich mir nie vorstellen“, sagt er rückblickend. Warum, was
hält ihn bei der Stange? Nach ein paar Minuten des Überlegens
weiß er es: Es ist die Sorge um den fachlichen Stillstand. Sie ist
es, die den Fachtierarzt für Schweine und „Diplomate of the Eu-
ropean College“ dranbleiben lässt.
Eine konkrete Vorstellung davon, was „dranbleiben“ für Palzer
bedeutet, bekommt der, der ihn zum Ethik-Kodex befragt. 2015
vom Deutschen Tierärztetag beschlossen, 2016 mit Umsetzungs-
empfehlungen unterfüttert, soll der Ethik-Kodex Veterinäre
selbstverpflichtend beim „ethisch richtigen Handeln“ unterstüt-
zen. „Schön und gut“, meint Palzer, „aber wenn es praktisch
wird, dann höre ich nur: ‚Das muss der Tierarzt im Einzelfall
selbst entscheiden.‘ Das war vorher auch schon so, dafür brau-
che ich keinen Kodex!“ Der Hoftierarzt kommt in Fahrt und führt
eine Reihe von Praxisbeispielen an. Ihnen allen ist eins gemein:
Steht der Hoftierarzt vor einer Gruppe ernsthaft erkrankter Tiere,
dann bedeutet die Heilung derer, die durchkommen, immer auch
das verlängerte Leid derer, denen nicht mehr zu helfen ist. „Mit
einem frühzeitigen Bolzenschuss wäre Letzteren – im Sinne des
Tierwohls – besser gedient. Oder sollen wir lieber der Natur
ihren Lauf lassen? Wo, in diesem großen Graubereich, liegen die
verbindlichen Grenzen?“, fragt der Veterinär und ringt mit den
Händen.
Was sich Palzer wünscht, sind konkrete ethische Anhaltspunkte,
die sich nach prozentualen Heilungschancen, einer definierten
Menge von Krankentagen und Ähnlichem mehr richten. Sie sol-
len seinem Berufsstand praktische Orientierung bieten. Und
dabei geht es ihm noch nicht einmal um seine persönliche
Entscheidungsfindung im Fall des Falles. Hier fühlt sich Palzer
ANGEWANDTE ETHIK MIT
DR. ANDREAS PALZER
Wie lässt sich tierärztliche Ethik praktisch und
faktisch haltbar umsetzen? Als bpt-Präsidiums-
mitglied wünscht sich Dr. Andreas Palzer einen
aktiven Austausch mit anderen Hoftierärzten.
Wer sich davon angesprochen fühlt, kann sich
direkt mit ihm in Verbindung setzen:
Tel. 08381/ 2572,
a.palzer@lmu.de.
„Wo, in diesem großen
Graubereich, liegen die
verbindlichen Grenzen?“