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THEORIE
„Wir machen uns
die Welt, wie sie
uns gefällt“
AUF DER JAGD NACH TRENDS:
DIE ERNÄHRUNGSTYPEN DER MARKTFORSCHUNG
Wenn Jens Lönneker, Diplom-Psychologe und Geschäftsführer des Kölner Rheingold
Salons, eine Studie beendet hat, dann hat er viele neue Menschen sehr genau ken-
nengelernt. Denn er und seine Kollegen legen die Teilnehmer auf die Couch: Herz-
stück aller Studien bilden tiefenpsychologische, rund zweistündige Interviews. Pro
Person. Danach weiß Jens Lönneker mehr. Und weiß er genug, dann hat er einen
Trend entdeckt. In Sachen Ernährung heißt er: „Lebensmittel wirken identitätsstiftend.
Essen und Trinken werden als Bestandteil des persönlichen Gesamt-Lifestyles immer
wichtiger.“
Für die Food Poser gilt das ebenso wie für die Naturisten (Typbeschreibungen auf Seite
35). Nur dass der eine für Designer-Küchen schwärmt und der andere für sandige Kar-
toffeln. Neben dem Trend Lifestyle konnten die Marktforscher aber noch einen zweiten
ausmachen: die Tradition. Frei nach dem Motto „Es kann doch nicht alles schlecht ge-
wesen sein, wie es Großmutti machte“, sehnen wir uns nach alten Werten. Und die
tragen ungeahnte Früchte: Schrebergärten boomen bei jungen Stadtfamilien wie nie
zuvor. Ein Revival der Spießigkeit? „Eher eine Besinnung auf Tradiertes“, relativiert der
Psychologe. Dass in Lifestyle einerseits und Tradition andererseits kein Widerspruch
bestehen muss, liegt in der Natur der Trends: Anders als Moden lösen sie einander
nicht ab, sondern können parallel existieren, sich gar überlagern. Wenn wir in den
1990er Jahren einen starken Trend hin zum Individualismus erlebten, wünscht sich
der Zeitgenosse heute vielmehr eine Gruppe, eine Norm, zu der er gehört. Sie gibt
ihm Beständigkeit in unsicheren Zeiten. „Finanzkrisen erschüttern eben nicht nur
Märkte, sondern auch die Psyche“, so Jens Lönneker. Wenn der Makrokosmos zittert,
lockt der Rückzug in den eigenen Mikrokosmos. Was könnte denn mehr Sicherheit
stiften als der eigene Herd? Genau dieser Aspekt macht das Essen für die Marktfor-
Stimmen Menschen in ihren Verhaltensmustern überein, dann entsteht
ein angenehmes Gefühl: Zugehörigkeit. Das Marktforschungsinstitut
„Rheingold Salon“ extrahierte zehn mustergültige Ernährungstypen,
die in uns derzeit das Gruppengefühl wecken. Vier von ihnen „ver-
mehren“ sich: Naturisten, Traditionalisten, Food Poser, Physiologen.