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PRAXIS
Wer auf „Gut Hacheney“ aus dem Auto
steigt, der sieht: weiße Pferdezäune
und moderne Architektur, weitläufige
Putenställe und Biogasanlage, Weima-
raner und Kinderfahrrad, daneben ein
in Holz gehauener Äskulapstab. Das
Universum der Tiermedizinerin Alexan-
dra Engels, eingefangen in wenigen
Bildern. Schon ist die Hausherrin zur
Stelle, begrüßt im stilvollen Ambiente,
Ehemann Ulrich Spielhoff kommt
hinzu, setzt sich zum gemeinsamen
Kaffee an den weiß gedeckten Kü-
chentisch. Noch ist es früh am Tage,
doch die beiden waren seit einigen
Stunden in den Ställen unterwegs.
Und die können sich sehen lassen:
Vor drei Jahren investierte die Familie
in eine komplett neue Hahnenfarm
und renovierte die vorhandenen Hen-
nen- und Aufzuchtställe. „Wir können
jetzt auch anspruchsvolleren Rassen
eine sehr differenzierte Aufzucht bie-
ten, eben das ganze Entertainment“,
erklärt Alexandra Engels. Konkret
heißt das: moderne Tränke- und Füt-
terungstechnik, per Handy steuerbare
Klimatechnik mit Sprühkühlung und
vollautomatischer Klimaführung, com-
putergesteuerte Futter- und Tier-
waagen, integrierte Ruhezonen, Be-
schäftigungsmaterial. Für genügend
Energie, vor allem im 36 Grad warmen
Kükenstall, sorgt die hofeigene Bio-
gasanlage. Sie speist Deckenstrahl-
platten und Konvektoren.
Wie viel Tierärztin steckt in all der Auf-
zuchttechnik? „Jede Menge“, lacht sie.
Eine moderne Infrastruktur, sagt sie,
sei der eine Schlüssel zur Gesundheit,
der andere sei der einzelne Mensch,
der die Tiere intensiv vor Ort betreue.
Vor allem für die Küken gelte das.
„Wenn die kommen, läuft Alexandra
zu Höchstleistungen auf“, neckt Ehe-
mann Ulrich Spielhoff. Und er muss es
wissen, bislang stand seine Frau
selbst nachts alle zwei Stunden auf,
um die Neuankömmlinge mit der
Hand von Pappen zu füttern. „Meine
Kunden sagen manchmal zu mir: ‚Für
das, was Du alles von mir willst, habe
ich überhaupt keine Zeit‘“, erzählt die
Veterinärin – und genau das brachte
sie auf eine Idee: Kükenaufzucht, die
ihre Nutztierpraxis künftig mit Hilfe
einer externen Dienstleisterin anbieten
möchte. Ob etwas daraus wird, weiß
sie nach dem nächsten Durchgang. In
dem startet sie den Selbstversuch.
Denn Alexandra Engels ist eine echte
Selfmadewoman. Was sie im eigenen
Stall ausprobiert hat, dazu kann sie
auch Stellung beziehen.
Und die wird von ihren Kunden nach-
gefragt: Sämtliche Geflügel- und
Schweinemäster, die ihre spezialisierte
Nutztierpraxis betreut, besucht sie als
Bestandsveterinärin. Monatliche Visiten
sind Standard, in der Putenaufzucht-
phase auch wöchentliche, abgestimmt
auf zusätzliche Termine mit den Futter-
oder Kükenberatern. Vergleichende
Leistungsparameter nutze sie heute
gern für ihre Arbeit: „Keiner meiner
Mäster möchte mit einem schlechten
QS-Therapieindex dastehen. Das Glei-
che gilt für das Fußballenmonitoring
bei den Puten. Früher hat sich dafür
keiner interessiert, heute fragen so
viele danach, dass wir die Ergebnisse
standardisiert rausschicken.“
Der typische Engels-Kunde fordert aktive
Beratung und Managementunterstüt-
zung. Zur großen Freude der Veterinärin,
denn genau das „macht total viel Spaß“.
Gerade der Rundumblick, den ihr Job for-
dert, hat es ihr angetan. „Der Nutztierarzt
mutierte einem wahren Dreh- und Angel-
punkt für zahlreiche Themen. Tierge-
sundheit kann man nicht isoliert
betrachten.“ Richtig stolz ist die Tierärz-
tin auf ihre selbst aufgebaute Impf-
gruppe. In Zeiten der Antibio-
tikareduktion setzt sie auf betriebsspe-
zifische Immunprophylaxe. „Dr. Alexan-
dra Engels Farmhygiene“ verabreicht
Spray-, Augentropfen- und Nadelimpfun-
gen, ein eigenes, speziell auf Puten zu-
geschnittenes Impfband steht zur
Verfügung.
Dass die Antibiotikareduktion – neben
dem richtigen Futter – in den Genen be-
gründet liegt, davon ist die Westfälin
überzeugt. Konsequent, wie sie ist, tes-
tete sie selbst die neuen Rassen: Statt
der traditionellen „BUT 6“ testete sie
Aufzuchtdurchgänge „TP 7“ (Aviagen)
und „Converter“ (Hybrid Turkeys). Ein
weiterer Durchgang Converter – diesmal
von deutschen Elterntieren – steht
schon in den Startlöchern. Trotz aller
neuen Erfahrungswerte kann sie den
Antibiotikaein-satz beim Langmasttier
Pute heute – noch – nicht gegen null
Zum
Hofe
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„Der Nutztierarzt mutierte zu
einem wahren Dreh- und Angelpunkt
für zahlreiche Themen. Tiergesundheit
kann man nicht isoliert betrachten.“
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